Spinnenwege: Raupensein

Sarg-Möllers waren da. Bei Frau Behrendsen. Und Mutti sagt, dass der Tod ein Dreieck ist. ‘Erst Herr Groth, jetzt die alte Hasenhex’. Wer nun in der Siedlung?’ Sie schaut aus dem Blumenfenster und legt Kürbisse zwischen die Töpfe, einen, zwei, drei.

Schön, dass die Nacht im Dunkel den Tag so schnell wegfrisst. Und die Blicke auf meinen Weg. Durch den Garten, unter dem Scharfdrahtzaun hindurch, den Fuchsweg. Zum Haus im Efeukleid. Die Stachelbeersträucher halten Wacht. Wollen die Fliegen verscheuchen, denn die Hasen haben Sarg-Möllers vergessen. Verlorene Wolle wärmt meine Finger.

Auch der Schlüssel hinter Ziegelstein ist noch da. Ich taste in den Keller hinein, erkenne die Spur, weiß die Schritte in die Diele mit den Zeitungsgebirgen, das Zimmer mit den tausend Tabletten und Salben und Gesundgeruch, der mich würgen lässt. Immer. Kenne die trockenen Geranien, die zum ersten Stock locken, dem Zimmer mit dem Schaukelpferd, der Ritterburg.

Und dem anderen, dem, mit der Fahne in Schwarz, Weiß, Rot, den Schränken mit den Laken, der Tischdecke, kariert, und der mit Blümchenbunt darauf, dem Mull, den Windeln, Taschentüchern. Und Frau Behrendsen lächelt mir zu, zeigt, wo Schere ist und Garn.

Ich danke ihr, nehme Schwarz, Weiß, Rot, Laken, Mull, das Tischtuch. Taste weiter Stufen hoch, zu den Balken, aus denen sie Milch gemolken, wie sie früher mir erzählt. Hellwolke linst durchs Fensterloch. Und die Schere reist durch Stoff, bringt kleine Schlangen in die Welt. Und ich hebe sie auf, immer eins, zwei, drei. Binde, knote, webe sie. Um mich. Wie eine Puppe. Im Kokon. Und immer mehr: eins, zwei, drei. Der Tod ist ein Dreieck. Und davor wie danach. Und ich will kein Schmetterling sein. Sondern davor. In mir.